Islamfeindlichkeit und Islamismus Thema der zweiten Demokratiekonferenz
Die zweite Demokratiekonferenz im Landkreis Göttingen fand am 29. Oktober von 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr im Geschwister-Scholl-Haus in Hann. Münden statt. Das Thema „Islamismus und Islamfeindlichkeit“. Die These dahinter: Islamismus und Islamfeindlichkeit haben ihren Ursprung in Fremdheits- oder Marginalisierungserfahrungen. Sie verstärken sich gegenseitig durch den wechselseitigen Bezug in ihrer Propaganda.
Teilgenommen haben rund 50 Personen, darunter viele Beschäftigte aus sozialen Berufsfeldern, von der Polizei, Engagierte in Integrationsinitiativen, sowie vom Moscheeverein Hann. Münden. Begrüßt wurden die Teilnehmenden vom Hann. Mündener Bürgermeister Harald Wegener und Kreisrat Marcel Riethig. Die Moderation der Veranstaltung übernahm Sandra Fanroth, Moderatorin und Coachin im Bundesprogramm Demokratie leben!
Was ist eigentlich Islamismus? – Vortrag von Dr. Menno Preuschaft
Dr. Menno Preuschaft ist beim Landespräventionsrat Niedersachsen verantwortlich für das Projekt „Prävention von salafistischer Radikalisierung und Islamfeindlichkeit“. Er hat überblicksweise in die Phänomen „Islamismus“ und „Islamfeindlichkeit“ eingeführt, sie zueinander in Beziehung und in den gesellschaftlichen Kontext gesetzt.
„Es war so interessant, mal mit einem von Ihnen [den Muslimen] geredet zu haben!“
Wesentliche Thesen seines Vortrags:
- Islamismus bzw. militanter Salafismus bilden nur einen kleinen Teil der Religion Islam. Im Kern handelt es sich um eine politische Ideologie, die die Religion instrumentalisiert.
- Ideologisch zentral für den Salafismus ist die Anknüpfung an individuelles Opferempfinden und Fremdheitserfahrungen. Diese werden in Auserwähltheitsvorstellungen gewendet und ggf. schließlich politisch instrumentalisiert.
- In der öffentlichen Wahrnehmung/Darstellung verschwimmt Differenzierung zwischen Islam und islamistischen Gruppierungen. Der Fokus liegt oft auf „dem Islam“ als invasivem Fremden oder sogar als Bedrohung.
- Islamfeindlichkeit ist die Abwertung von Menschen auf Grund der Zugehörigkeit zur Religion Islam. Sie ist als rassistisch zu werten, da sie dieser Gruppe auf Grund ihrer Religion oder Kultur unveränderliche Merkmale zuschreibt und sie als „negative Andere“ der eigenen Gruppe/Kultur gegenüber stellt.
- Islamfeindlichkeit und Islamismus stellen sich gegenseitig verstärkende Phänomene dar. Die Ablehnung des Islam im öffentlichen Diskurs stärkt das Opfernarrativ, das die Grundlage radikal-salafistischer Missionierung ist. Umkehrt stärkt das Agieren radikaler Salafisten das Bedrohungsnarrativ von islamfeindlichen Gruppierungen.
- Als Schlussfolgerung aus dieser Analyse steht die Forderung, dem Opfernarrativ und dem Bedrohungsnarrativ aktiv entgegenzutreten. Das bedeutet vor allem, Muslime als Teile der Gesellschaft aktiv wertzuschätzen.
Als Muslim in Münden leben
Hasan Akman ist Vorsitzender des Moscheevereins Hann. Münden. Er konnte aus erster Hand von Diskriminierungserfahrungen berichten, aber auch positive Beispiele über das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen geben. Für die Mitglieder der Moscheegemeinde sei die Erfahrung von Anfeindungen alltäglich. Herr Akman konnte einen Drohbrief vorlesen, der exemplarisch für viele derartige Schreiben stünde. Auch sei mehrfach sein Haus beschädigt worden.
Hasan Akman, Vorsitzender des Moscheevereins Hann. MündenIn der Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen gebe es widersprüchliche Erfahrungen. Auf der einen Seite bestehe ein sehr guter Kontakt zur Polizei, insbesondere zum Präventionsteam. Auch die Erfahrungen mit der Stadtverwaltung seien unter der neuen Leitung besser. Auf der anderen Seite stünden sehr negative Erfahrungen, z.B. mit Lehrkräften an Schulen oder in Bewerbungsverfahren. Insgesamt hänge es von Personen ab und langjährige Kooperationen könnten mit einem personellen Wechsel entstehen oder verschwinden.
Sein Fazit: „Täglich erleben wir Kontraste: manchmal sind wir herzlich willkommen und manchmal werden wir sogar angefeindet. Wir leben seit Jahren hier und trotzdem sind wir für manche doch noch fremd und irgendwie anders.“
Im Dialog
Nach einer Mittagspause waren die Teilnehmenden gefragt, sich und ihre Erfahrungen einzubringen und miteinander in den Dialog zu treten. Wir haben dazu die Methode einer „stummen Diskussion“ gewählt. Auf acht Wänden standen Fragen und Thesen zum Zusammenleben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, zu denen die Anwesenden Stellung nehmen sollten – zunächst schriftlich und ohne miteinander zu sprechen. Anschließend wurde das „Sprechverbot“ aufgehoben und zum offenen Austausch eingeladen. Sehr deutlich wurde dabei die positive und dialogorientierte Grundhaltung aller Beteiligten.
„Sind Ihnen bereits Äußerungen begegnet, die sie als islamfeindlich einschätzen würden? Wenn ja, wo und welche?“ – Eine Frage zur DiskussionMehrfach in den Fokus gerückt wurden „die Medien“ und das spannungsgeladene Bild, das dort vermittelt werde. Viele Beteiligte kannten Islamismus oder Islamfeindlichkeit nur aus diesem Kontext. Dagegen konnten andere solche Erfahrungen auch aus ihrem Privatbereich (Familie) oder Beruf (v.a. pädagogische Berufe) berichten. Deutlich wurde auch, dass islamfeindliche Aussagen kein Alleinstellungsmerkmal der politischen Rechten sind, z.B. durch den Bericht über die Aussage eines Sozialarbeiters, im Islam würden die Frauen generell unterdrückt. Grundsätzlich herrschte bei allen Anwesenden der Wunsch nach einem intensiven Austausch, auch zur Überwindung von Fremdheitsgefühlen.
„Hätten Sie nicht auch noch Ihre Frauen mitbringen können, ich hätte auch so gerne mal so jemanden kennen gelernt!“
Abschluss
In der abschließenden Diskussion wurde vor allem der Wert der persönlichen Begegnung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen betont. Hierfür Räume und Anlässe zu liefern ist eine vordringliche Aufgabe der Präventionsarbeit. Dabei wurde die besondere Rolle pädagogischer Einrichtungen, auch von Kindergärten und Grundschulen, hervorgehoben.